Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Glaser-Handwerk

Ausfertigungsdatum: 19.12.2014Text auf gesetze-im-internet.de

Weitere InformationenVollzitat:"Glasermeisterverordnung vom 19. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2331), die durch Artikel 2 Absatz 82 der Verordnung vom 18. Januar 2022 (BGBl. I S. 39) geändert worden ist"Status:Geändert durch Art. 2 Abs. 82 V v. 18.1.2022 I 39Fußnote:
(+++ Textnachweis ab: 1.7.2015 +++)

Eingangsformel

Auf Grund des § 45 Absatz 1 der Handwerksordnung, der zuletzt durch Artikel 3 Nummer 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2011 (BGBl. I S. 1341) geändert worden ist, in Verbindung mit § 1 Absatz 1 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165) und dem Organisationserlass vom 17. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4310) verordnet das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung:

§ 1Gegenstand

Diese Verordnung regelt das Meisterprüfungsberufsbild sowie die Prüfung in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Glaser-Handwerk. Die Meisterprüfung besteht aus vier selbständigen Prüfungsteilen.

§ 2Meisterprüfungsberufsbild

Im Glaser-Handwerk sind zum Zwecke der Meisterprüfung folgende Fertigkeiten und Kenntnisse zum Nachweis der beruflichen Handlungskompetenz zu berücksichtigen:
1.
auftragsbezogene Kundenanforderungen ermitteln, Kunden beraten, Serviceleistungen anbieten, Auftragsverhandlungen führen und Auftragsziele festlegen, Leistungen kalkulieren und Angebote erstellen, Verträge schließen,
2.
Aufgaben der technischen, kaufmännischen und personalwirtschaftlichen Betriebsführung unter Anwendung von Informations- und Kommunikationssystemen wahrnehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der Betriebsorganisation, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, des Qualitätsmanagements, der Haftung, des Arbeitsschutzrechtes, des Datenschutzes und des Umweltschutzes,
3.
Auftragsabwicklungsprozesse planen, organisieren, überwachen und anpassen, Unteraufträge vergeben und deren Durchführung kontrollieren,
4.
Aufträge ausführen, insbesondere unter Berücksichtigung von gestalterischen Aspekten, Konstruktionen, Fertigungs- und Montagetechniken, berufsbezogenen rechtlichen Vorschriften, technischen Richtlinien und Normen sowie der allgemein anerkannten Regeln der Technik, des Einsatzes von Personal, Material, Maschinen und Geräten sowie der Möglichkeiten zum Einsatz von Auszubildenden,
5.
Konzepte für Betriebsstätten einschließlich Betriebs- und Lagerausstattung und Konzepte für logistische Prozesse entwickeln und umsetzen,
6.
Entwürfe, Skizzen, Fertigungszeichnungen und Pläne, auch unter Einsatz branchenspezifischer Software, erstellen und präsentieren,
7.
statisch wirksame Glas- und Verbundkonstruktionen mit unterschiedlichen Verbindungstechniken für den Innen- und Außenbereich planen, herstellen, montieren und instand halten,
8.
Glaskonstruktionen und -elemente zum funktionsfertigen Verschließen von Öffnungen in und an Bauwerken sowie an Fahrzeugen und Anlagen, insbesondere durch Verglasungen von Fenstern, Türen und Wintergärten, sowie durch Profilbauglas- und Glasbetonkonstruktionen, planen, herstellen, montieren und instand halten,
9.
Glasfassadenkonstruktionen und -elemente sowie Verbundelemente planen, herstellen, montieren und instand halten,
10.
Fenster-, Türen- und Wintergartenkonstruktionen planen, herstellen, montieren und instand halten; Zubehörteile, Schließ- und Schutzsysteme montieren,
11.
Glaserzeugnisse, lichtdurchlässige Werkstoffe und Verbundmaterialien für den Innen- und Außenbereich gestalten, herstellen, be- und verarbeiten, montieren und instand halten; Fertigungsprozesse steuern und überwachen,
12.
Kunstverglasungen unter Berücksichtigung von Stilrichtungen entwerfen, herstellen, montieren, instand halten und restaurieren,
13.
individuelle Einrahmungen entwerfen und herstellen, Füllungen einarbeiten, montieren und instand halten,
14.
Glassysteme sowie Komponenten zur Energiegewinnung und -einsparung objektbezogen planen, montieren und instand halten, dabei Anforderungen an Dämmungen berücksichtigen,
15.
Qualitätskontrollen durchführen, Fehler und Störungen analysieren und beseitigen, Ergebnisse bewerten und dokumentieren,
16.
Arten und Eigenschaften zu be- und verarbeitender Werk- und Hilfsstoffe, bei der Gestaltung, Planung, Konstruktion, Fertigung, Montage und Instandhaltung berücksichtigen, insbesondere Glas, lichtdurchlässige Materialien, Metall und Verbundstoffe,
17.
Baukörperanschlüsse mit dazugehörigen Dämmungen planen, ausführen und instand halten,
18.
Oberflächen unterschiedlicher Materialien behandeln, veredeln und beschichten,
19.
durchgeführte Leistungen ermitteln, prüfen und dokumentieren, Abnahme durchführen, Leistungen abrechnen sowie Nachkalkulationen durchführen und Auftragsabwicklungen auswerten.

§ 3Ziel und Gliederung des Teils I

(1) In der Prüfung in Teil I hat der Prüfling seine berufliche Handlungskompetenz dadurch nachzuweisen, dass er komplexe berufliche Aufgabenstellungen lösen und dabei wesentliche Tätigkeiten des Glaser-Handwerks meisterhaft verrichten kann.
(2) Teil I der Meisterprüfung gliedert sich in folgende Prüfungsbereiche:
1.
Durchführung eines Meisterprüfungsprojekts und ein darauf bezogenes Fachgespräch sowie
2.
Durchführung einer Situationsaufgabe.

§ 4Meisterprüfungsprojekt

(1) Der Prüfling hat ein Meisterprüfungsprojekt durchzuführen, das einem Kundenauftrag entspricht. Die auftragsbezogenen Anforderungen an das Meisterprüfungsprojekt werden vom Meisterprüfungsausschuss festgelegt. Hierzu sollen Vorschläge des Prüflings berücksichtigt werden. Auf dieser Grundlage erarbeitet der Prüfling ein Umsetzungskonzept einschließlich einer Zeit- und Materialbedarfsplanung. Das Konzept hat er vor der Durchführung des Meisterprüfungsprojekts dem Meisterprüfungsausschuss zur Genehmigung vorzulegen. Der Meisterprüfungsausschuss prüft, ob das Umsetzungskonzept den auftragsbezogenen Anforderungen entspricht.
(2) Das Meisterprüfungsprojekt besteht aus Planungs-, Durchführungs-, Kontroll- und Dokumentationsarbeiten. Die Planungsarbeiten umfassen einen Entwurf, einen Fertigungsplan sowie eine Angebotskalkulation.
(3) Als Meisterprüfungsprojekt ist eine der nachfolgenden Aufgaben durchzuführen:
1.
Entwurf, Planung und Herstellung einer mehrteiligen Glaskonstruktion mit einem umbauten Raum von mindestens 0,5 Kubikmetern mit mindestens zwei beweglichen Teilen,
2.
Entwurf, Planung und Herstellung einer energetisch optimierten oder künstlerisch gestalteten Fenster- oder Haustürkonstruktion mit Rahmen oder einer energetisch optimierten oder künstlerisch gestalteten Glas-, Fassaden- oder Wintergartenkonstruktion,
3.
Entwurf, Planung und Herstellung einer Kunstverglasung mit einer Fläche von mindestens 0,75 Quadratmetern unter Anwendung von mindestens zwei Glasveredelungstechniken,
4.
Entwurf, Planung und Herstellung einer mit mindestens zwei Veredelungstechniken gestalteten Glasfläche von mindestens 1,5 Quadratmetern oder
5.
Entwurf, Planung, Herstellung und Montage einer Glas-, Fenster-, Türen-, Fassaden- oder Wintergartenkonstruktion mit Energiegewinnungskomponenten.
Die durchgeführten Arbeiten sind zu kontrollieren und zu dokumentieren.
(4) Die Bewertung des Meisterprüfungsprojekts wird wie folgt gewichtet:
1.
die Erstellung der Planungsunterlagen mit 35 Prozent,
2.
die Durchführungsarbeiten mit 55 Prozent und
3.
die Erstellung der Dokumentationsunterlagen mit 10 Prozent.

§ 5Fachgespräch

Im Fachgespräch hat der Prüfling nachzuweisen, dass er in der Lage ist,
1.
die fachlichen Zusammenhänge aufzuzeigen, die dem Meisterprüfungsprojekt zugrunde liegen,
2.
das Vorgehen bei der Planung und bei der Durchführung des Meisterprüfungsprojekts zu begründen und
3.
mit dem Meisterprüfungsprojekt verbundene berufsbezogene Probleme sowie deren Lösungen darzustellen und dabei neue Entwicklungen im Glaser-Handwerk zu berücksichtigen.

§ 6Situationsaufgabe

(1) Die Situationsaufgabe ist auftragsorientiert und vervollständigt den Nachweis der beruflichen Handlungskompetenz für die Meisterprüfung im Glaser-Handwerk. Die Aufgabenstellung wird vom Meisterprüfungsausschuss festgelegt.
(2) Als Situationsaufgabe sind vier der folgenden Arbeiten auszuführen, die nicht Gegenstand des Meisterprüfungsprojekts sind:
1.
Materialien für eine Reparaturverglasung auftragsbezogen auswählen, Auswahl begründen und Reparatur ausführen,
2.
Glas in Fläche und Kante bearbeiten oder eine mehrteilige Glaskonstruktion anfertigen,
3.
eine Tür aus Einscheiben-Sicherheitsglas einbauen, Schließer setzen und Beschläge anbringen oder eine Störung an einer Ganzglas-Türanlage beheben,
4.
eine Kunstverglasung anfertigen oder eine Fläche aus Glas oder glasverwandten Stoffen durch Veredelungstechniken gestalten,
5.
eine Fenster-, Haustür- oder Fassadenkonstruktion unter Berücksichtigung von Befestigungstechniken und Sicherheitsanforderungen montieren oder nachrüsten,
6.
eine funktionelle Einrahmung mit Passepartout und Verglasung herstellen und Füllung einarbeiten,
7.
eine Fahrzeugverglasung durchführen.
(3) Die Gesamtbewertung der Situationsaufgabe ist die Summe der Einzelbewertungen für die vier ausgeführten Arbeiten nach Absatz 2, für die das arithmetische Mittel gebildet wird.

§ 7Prüfungsdauer und Bestehen des Teils I

(1) Das Meisterprüfungsprojekt dauert acht Arbeitstage. Das Fachgespräch soll höchstens 30 Minuten und die Situationsaufgabe höchstens acht Stunden dauern.
(2) Das Meisterprüfungsprojekt, das Fachgespräch und die Situationsaufgabe werden gesondert bewertet. Die Prüfungsleistungen im Meisterprüfungsprojekt und im Fachgespräch werden im Verhältnis 3 : 1 gewichtet. Hieraus wird eine Gesamtbewertung gebildet. Das hieraus resultierende Ergebnis wird zum Prüfungsergebnis der Situationsaufgabe im Verhältnis 2 : 1 gewichtet.
(3) Voraussetzung für das Bestehen des Teils I der Meisterprüfung ist eine insgesamt mindestens ausreichende Prüfungsleistung, wobei das Meisterprüfungsprojekt, das Fachgespräch und die Situationsaufgabe jeweils mit mindestens 30 Punkten bewertet worden sein müssen.

§ 8Ziel, Gliederung und Inhalt des Teils II

(1) In der Prüfung in Teil II hat der Prüfling in den in Absatz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Handlungsfeldern seine berufliche Handlungskompetenz dadurch nachzuweisen, dass er die erforderlichen fachtheoretischen Kenntnisse im Glaser-Handwerk zur Lösung komplexer beruflicher Aufgabenstellungen anwenden kann.
(2) In jedem der nachfolgend aufgeführten Handlungsfelder ist mindestens eine komplexe fallbezogene Aufgabe zu bearbeiten. Die fallbezogenen Aufgaben sind handwerksspezifisch, wobei die in den Handlungsfeldern nach den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Qualifikationen auch handlungsfeldübergreifend verknüpft werden können:
1.
Gestaltung, Konstruktion, Fertigung
2.
Auftragsabwicklung
3.
Betriebsführung und Betriebsorganisation

§ 9Prüfungsdauer und Bestehen des Teils II

(1) Die Prüfung in Teil II ist schriftlich durchzuführen. Sie dauert in jedem Handlungsfeld drei Stunden. Eine Prüfungsdauer von sechs Stunden an einem Tag darf nicht überschritten werden.
(2) Die Gesamtbewertung des Teils II ist die Summe der Einzelbewertungen der Handlungsfelder nach § 8 Absatz 2, für die das arithmetische Mittel gebildet wird.
(3) Wurden in höchstens zwei der in § 8 Absatz 2 genannten Handlungsfelder jeweils mindestens 30 und weniger als 50 Punkte erreicht, kann in einem dieser Handlungsfelder eine mündliche Ergänzungsprüfung durchgeführt werden, wenn diese das Bestehen des Teils II der Meisterprüfung ermöglicht.
(4) Mindestvoraussetzung für das Bestehen des Teils II der Meisterprüfung ist eine insgesamt ausreichende Prüfungsleistung. Die Prüfung des Teils II ist nicht bestanden, wenn
1.
ein Handlungsfeld mit weniger als 30 Punkten bewertet worden ist oder
2.
nach durchgeführter Ergänzungsprüfung zwei Handlungsfelder jeweils mit weniger als 50 Punkten bewertet worden sind.

§ 10Allgemeine Prüfungs- und Verfahrensregelungen, weitere Regelungen zur Meisterprüfung

(1) Die Vorschriften der Meisterprüfungsverfahrensverordnung bleiben unberührt.
(2) Die Prüfung in den Teilen III und IV der Meisterprüfung bestimmt sich nach der Allgemeinen Meisterprüfungsverordnung vom 26. Oktober 2011 (BGBl. I S. 2149) in der jeweils geltenden Fassung.

§ 11Übergangsvorschrift

(1) Die bis zum 30. Juni 2015 begonnenen Prüfungsverfahren werden nach den bisherigen Vorschriften zu Ende geführt. Erfolgt die Anmeldung zur Prüfung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2015 sind auf Verlangen des Prüflings die bis zum 30. Juni 2015 geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.
(2) Prüflinge, die die Prüfung nach den bis zum 30. Juni 2015 geltenden Vorschriften nicht bestanden haben und sich bis zum 30. Juni 2017 zu einer Wiederholungsprüfung anmelden, können auf Verlangen die Wiederholungsprüfung nach den bis zum 30. Juni 2015 geltenden Vorschriften ablegen.

§ 12Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Juli 2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Glaser-Handwerk vom 9. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3012) außer Kraft.