Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz

Ausfertigungsdatum: 21.11.2016Text auf gesetze-im-internet.de

Weitere InformationenVollzitat:"Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2615), das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 6 des Gesetzes vom 27. September 2021 (BGBl. I S. 4530) geändert worden ist"Status:Zuletzt geändert durch Art. 1 V v. 28.6.2021 I 2231
Änderung durch Art. 8 Abs. 6 G v. 27.9.2021 I 4530 (Nr. 70) textlich nachgewiesen, dokumentarisch noch nicht abschließend bearbeitet
Fußnote:
(+++ Textnachweis ab: 26.11.2016 +++)
(+++ Zur Anwendung vgl. §§ 1, 5 +++)

§ 1Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf neue psychoaktive Stoffe im Sinne des § 2 Nummer 1.
(2) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf
1.
Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes,
2.
Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, 2, 3a und 4 Satz 1 des Arzneimittelgesetzes sowie
3.
Tierarzneimittel im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 43; L 163 vom 20.6.2019, S. 112; L 326 vom 8.10.2020, S. 15; L 241 vom 8.7.2021, S. 17).

§ 2Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist
1.
neuer psychoaktiver Stoff ein Stoff oder eine Zubereitung eines Stoffes aus einer der in der Anlage genannten Stoffgruppen;
2.
Zubereitung ohne Rücksicht auf den Aggregatzustand ein Stoffgemisch oder die Lösung eines Stoffes oder mehrerer Stoffe außer den natürlich vorkommenden Gemischen und Lösungen;
3.
Herstellen das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Reinigen, das Umwandeln, das Abpacken und das Umfüllen einschließlich Abfüllen;
4.
Inverkehrbringen das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe sowie das Feilhalten, das Feilbieten, die Abgabe und das Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch an andere.

§ 3Unerlaubter Umgang mit neuen psychoaktiven Stoffen

(1) Es ist verboten, mit einem neuen psychoaktiven Stoff Handel zu treiben, ihn in den Verkehr zu bringen, ihn herzustellen, ihn in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, ihn zu erwerben, ihn zu besitzen oder ihn einem anderen zu verabreichen.
(2) Vom Verbot ausgenommen sind
1.
nach dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik anerkannte Verwendungen eines neuen psychoaktiven Stoffes zu gewerblichen, industriellen oder wissenschaftlichen Zwecken und
2.
Verwendungen eines neuen psychoaktiven Stoffes durch Bundes- oder Landesbehörden für den Bereich ihrer dienstlichen Tätigkeit sowie durch die von ihnen mit der Untersuchung von neuen psychoaktiven Stoffen beauftragten Behörden.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 erfolgen die Sicherstellung, die Verwahrung und die Vernichtung von neuen psychoaktiven Stoffen nach den §§ 47 bis 50 des Bundespolizeigesetzes und den Vorschriften der Polizeigesetze der Länder.
(4) Unbeschadet des Absatzes 3 können die Zollbehörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung nach § 1 Absatz 3 des Zollverwaltungsgesetzes Waren, bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass es sich um neue psychoaktive Stoffe handelt, die entgegen Absatz 1 in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht worden sind oder verbracht werden sollen, sicherstellen. Die §§ 48 bis 50 des Bundespolizeigesetzes gelten entsprechend. Kosten, die den Zollbehörden durch die Sicherstellung und Verwahrung entstehen, sind vom Verantwortlichen zu tragen; die §§ 17 und 18 des Bundespolizeigesetzes gelten entsprechend. Mehrere Verantwortliche haften als Gesamtschuldner. Die Kosten können im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beigetrieben werden.

§ 4Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 3 Absatz 1
1.
mit einem neuen psychoaktiven Stoff Handel treibt, ihn in den Verkehr bringt oder ihn einem anderen verabreicht oder
2.
einen neuen psychoaktiven Stoff zum Zweck des Inverkehrbringens
a)
herstellt oder
b)
in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
1.
in den Fällen
a)
des Absatzes 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, oder
b)
des Absatzes 1 Nummer 1 als Person über 21 Jahre einen neuen psychoaktiven Stoff an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder ihn ihr verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überlässt oder
2.
durch eine in Absatz 1 genannte Handlung
a)
die Gesundheit einer großen Zahl von Menschen gefährdet oder
b)
einen anderen der Gefahr des Todes oder einer schweren Schädigung an Körper oder Gesundheit aussetzt.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 3 Nummer 1 Buchstabe b oder Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(6) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

§ 5Einziehung

Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 4 bezieht, können eingezogen werden. § 74a des Strafgesetzbuches ist anzuwenden.

§ 6Datenübermittlung

Das Zollkriminalamt darf zu Straftaten nach § 4 Informationen, einschließlich personenbezogener Daten nach der aufgrund des § 7 Absatz 11 des Bundeskriminalamtgesetzes erlassenen Rechtsverordnung, dem Bundeskriminalamt zur Erfüllung von dessen Aufgaben als Zentralstelle übermitteln, soweit Zwecke des Strafverfahrens dem nicht entgegenstehen. Übermittlungen nach Satz 1 sind auch zulässig, sofern sie Daten betreffen, die dem Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung unterliegen. Übermittlungsbefugnisse nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

§ 7Verordnungsermächtigung

Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und mit dem Bundesministerium der Finanzen und nach Anhörung von Sachverständigen die Liste der Stoffgruppen in der Anlage zu ändern, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise von psychoaktiv wirksamen Stoffen, wegen des Ausmaßes ihrer missbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist.

Anlage

(Fundstelle: BGBl. I 2021, 2232 – 2243)

Vorbemerkung
Die Stoffgruppendefinitionen der Nummern 1 bis 7 schließen alle denkbaren geladenen Formen, Stereoisomere und Salze eines erfassten Stoffes ein, soweit solche existieren. In den Stoffgruppendefinitionen festgelegte Molekülmassenbegrenzungen gelten bei geladenen Formen und Salzen nur für den Molekülteil ausschließlich des Gegen-Ions.
1
Von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen
1.1
Strukturelement A
1.2
Strukturelement B
2
Cannabimimetika/synthetische Cannabinoide
2.1
Von Indol, Pyrazol und 4-Chinolon abgeleitete Verbindungen
2.1.1
Kernstruktur
2.1.2
Brücke an der Kernstruktur
2.1.3
Brückenrest
a)
Der Brückenrest kann Kombinationen der Atome Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Schwefel, Fluor, Chlor, Brom und Iod enthalten, die eine maximale Molekülmasse von 400 u haben und folgende Strukturelemente beinhalten können:
aa)
beliebig substituierte gesättigte, ungesättigte oder aromatische Ringstrukturen einschließlich Polyzyklen und Heterozyklen, wobei eine Anbindung an die Brücke auch über einen Substituenten möglich ist,
bb)
beliebig substituierte Kettenstrukturen, die unter Einbeziehung der Heteroatome eine durchgehende Kettenlänge von maximal zwölf Atomen (ohne Mitzählung von Wasserstoffatomen) aufweisen.
b)
Brücken mit der Möglichkeit der Anbindung von mehreren Brückenresten (beispielsweise Brücken zu Nummer 2.1.2 Buchstabe b und zu Nummer 2.1.2 Buchstabe d können auch mehrere Brückenreste gemäß den Definitionen zu Nummer 2.1.3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa und zu Nummer 2.1.3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb tragen. Die Molekülmassenbeschränkung von insgesamt 400 u gilt dann für die Summe der Brückenreste.
2.1.4
Seitenkette
2.2
Von 3-Sulfonylamidobenzoesäure abgeleitete Verbindungen
2.2.1
Kernstruktur
2.2.2
Reste R, R, Rund R
a)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen: Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom, Iod, Methyl-, Ethyl- und Methoxygruppen.
b)
Der Rest R kann aus den folgenden Ringsystemen bestehen: Phenyl-, Pyridyl-, Cumyl-, 8-Chinolinyl-,3-Isochinolinyl-, 1-Naphthyl- und Adamantylrest. Diese Ringsysteme können weiterhin mit beliebigen Kombinationen der folgenden Atome oder Atomgruppen substituiert sein: Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom, Iod, Methoxy-, Amino-, Hydroxy-, Cyano-, Methyl- und Phenylethergruppen.
c)
Die Reste R und R können aus einer beliebigen Kombination der Atome oder Atomgruppen Wasserstoff, Methyl-, Ethyl-, Propyl- und Isopropylgruppen bestehen. Die Reste R und R können auch ein gesättigtes Ringsystem bis zu einer Größe von sieben Atomen einschließlich dem Stickstoffatom bilden. Dieses Ringsystem kann die weiteren Elemente Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel enthalten und eine beliebige Kombination der Elemente Wasserstoff, Fluor, Chlor, Brom und Iod tragen. Für die Substitution des Stickstoffatoms in einem solchen Ring gelten die für die Reste R und R in Satz 1 angegebenen Substitutionsmöglichkeiten.
3
Benzodiazepine
3.1
Kernstruktur
3.2
Reste Rbis Rund X
a)
Der Rest R schließt die folgenden an die Siebenringe der Kernstrukturen anellierten Ringsysteme ein:
b)
Der Rest R schließt folgende Ringsysteme ein:
c)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen:
d)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen:
e)
Die Reste R und R können auch gemeinsam eine Carbonylgruppe (C=O) bilden.
f)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen:
g)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen:
h)
Der Rest R kann aus den folgenden Atomen oder Atomgruppen bestehen:
i)
Die Reste R und R können bei den 1,5-Benzodiazepinen auch gemeinsam eine Carbonylgruppe (C=O) bilden.
j)
Bei den 1,5-Benzodiazepinen kann statt R und R auch eine mit R substituierte Doppelbindung zum 5-Stickstoff-Atom vorliegen.
k)
Der Rest X schließt folgende Substituenten ein:
4
Von N-(2-Aminocyclohexyl)amid abgeleitete Verbindungen
5
Von Tryptamin abgeleitete Verbindungen
5.1
Indol-3-alkylamine
5.2
Δ-Ergolene
6
Von Arylcyclohexylamin abgeleitete Verbindung
7
Von Benzimidazol abgeleitete Verbindung